Verkehrsunfall – übernimmt die Versicherung bei einem nicht-reparierten Wagen die Stundesätze aus einer Fachwerkstatt oder nur einer freien Werkstatt?

Der Bundesgerichtshof hält an der sog. Porsche-Entscheidung fest (BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02) , in der der BGH folgendes entschieden hatte:

„Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation, wobei der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist.

Dies gilt auch für fiktive Reparaturkosten.

Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.

Jedoch braucht sich die Klägerin nicht auf die bloß abstrakte Möglichkeit einer technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fachwerkstatt verweisen zu lassen. 

Auch bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten kann nicht ein abstrakter Mittelwert Grundlage für die Berechnung der im konkreten Schadensfall erforderlichen Reparaturkosten sein. Auch bei fiktiver Schadensberechnung ist grundsätzlich Maßstab das Verhalten eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten zum Zwecke der Schadensbehebung.

Dazu gehört auch die Entscheidung des Geschädigten, sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren zu lassen.

Anderenfalls würde die dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eröffnete Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie in einer mit dem Gesetz nicht zu vereinbarenden Weise eingeschränkt.

Nach diesen Grundsätzen darf die Klägerin daher der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze des „Porsche-Zentrums“ zugrundelegen, auch wenn diese über den von der DEKRA ermittelten Sätzen der Region liegen. Dies gilt im Hinblick auf die dem Geschädigten zustehende Dispositionsfreiheit auch dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug wie hier unrepariert weiterveräußert.“ Quelle: Presserklärung Bundesgerichtshof

Nunmehr hatte der Bundesgerichtshof über einen ähnlichen Fall zu urteilen:

Bei dem zugrundeliegenden Fall wurde das Fahrzeug des Klägers, ein zum Unfallzeitpunkt ca. 9 ½ Jahre alter VW Golf mit einer Laufleistung von über 190.000 km, bei einem Verkehrsunfall beschädigt.

Die Haftungsfrage an sich war unstreitig, die Höhe der Zahlung jedoch nicht.

Dabei wurde die Frage behandelt, ob bei einer fiktiven Abrechnung die niedrigeren Stundenverrechnungssätze einer vom Schädiger bzw. von dessen Haftpflichtversicherer benannten „freien Karosseriefachwerkstatt“ oder die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen VW-Fachwerkstatt erstattet verlangen könnten.

Wie bereits in oben zitierten Urteil entschied der BGH nunmehr abermals,

 „dass der Geschädigte seiner Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. “ Quelle: Presserklärung Bundesgerichtshof

Allerdings stellte der BGH auch noch einmal heraus, dass es für den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein könne, sich auf eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt verweisen zu lassen, insbesondere für Fahrzeuge bis zum Alter von 3 Jahren, da bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen  bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten auftreten könnten.

Zudem entschied der BGH, dass auch bei älteren Kraftfahrzeugen es für den Geschädigten unzumutbar sein könne, wenn der Geschädigte konkret darlegen könne, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch eine konkrete Reparaturrechnung belegen könne.

Urteil vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09

 

Verfahrensgang:

AG Würzburg – 16 C 1235/08 – Entscheidung vom 10. Juli 2008

LG Würzburg – 42 S 1799/08 – Entscheidung vom 21. Januar 2009

Karlsruhe, den 20. Oktober 2009